Die letzte Fahrt der Barcosa

2023-01-21 (Tag 17)

  • 1d6: 6 → Visionen
  • 1d6+10: 14 → Du siehst Farben, die du nicht kennst und für die du keine Namen hast. Wie geht dein Verstand damit um?
  • Unheilsuhr: ⬛⬛⬛⬛⬛⬛⬛ ⬛⬛⬛⬛⬛⬛ ⬛⬛⬛⬛⬛ ⬛⬛⬛⬛ +10 ⬛⬛⬜

Mein Rücken tat weh und mein Bein war eingeschlafen, als ich vor der Tür liegend aufwachte. Was für ein verrückter Traum. Woher ich wusste, dass es nur ein Traum war? Ich war noch hier und am Leben. Daher. Ich schleppte mich an Deck, wo andere Matrosen herumstanden, ohne sich anzusehen. Niemand sprach ein Wort, vielleicht war schon alles gesagt. Am Ruder stand der 1. Nautische und tat so, als würde er steuern. Ich ging zu ihm herüber und sprach ihn vorsichtig an. „Troubridge, was machen wir jetzt?“, aber er starrte nur geradeaus. Also griff ich eine der großen Speichen des Ruders und drehte es mit kräftigem Ruck zu mir, so dass sein Körper in meine Richtung gerissen wurde. „Wach auf, Mann, wir müssen uns zusammenreißen!“, herrschte ich ihn an. Ich wusste nicht, ob es an meinen Worten, dem Ruck, der durchs Ruder ging, oder meiner leicht feuchten Aussprache in diesem Moment lag, aber Troubridge guckte mich mit seinen fahlen Augen an, als eine Reihe von Emotionen durch sein Gesicht fuhr. Zuletzt sah er mich noch fünf Atemzüge nachdenklich an, dann deutete er auf den Schiffsjungen, der an der Reling lehnte, und befahl ihm, das Ruder zu übernehmen. Der Junge fing unsicher an zu fragen, wohin er steuern sollte, und Troubridge zeigte auf die silbrige Spur am Horizont vor uns und sagte ruhig: „Auf die Boreales zu, bis ich etwas anderes sage.“

Eine schnelle Handbewegung vom Ersten befahl mir, ihm zu folgen und wir machten uns auf, herauszufinden, wie es um die Besatzung bestellt war. Für jeden der Matrosen, die sich noch an Bord befanden, schienen vier in die See gegangen zu sein. Der erste Nautische war der letzte Offizier an Bord und damit Kapitän. Ich hätte nicht gedacht, dass er noch bleicher werden konnte. In der Kombüse fanden wir Smutje, der sich den Kopf hielt und nicht ins Licht gucken wollte. Als Troubridge ihn ansprach, stöhnte er auf und murmelte, dass wir leise sein sollten. Wenigstens einer war noch gesprächig. Der Erste, äh der Kapitän, orderte einen Schluck Rum und etwas Warmes, Kräftigendes zu essen für jeden Matrosen, dann machten wir uns wieder auf den Weg, diesmal in die Kabine von Troubridge.

„Wir müssen gleich wieder zu den Männern und dafür sorgen, dass sie etwas zu tun und weniger zu grübeln haben“, eröffnete er mir. „Du bist jetzt mein Stellvertreter, mach dich nützlich. Prioritäten sind: Navigation, Wacheinteilung und verhindern, dass noch mehr Leute sterben.“ Er sah mich direkt an. „Fragen?“

„Keine anderen als Sie auch haben.“

„Also los.“

Zurück an Deck sprach Troubridge den traurigen Rest der Mannschaft an. Sein Plan war einfach: Die Barcosa so gut es ging bemannen und zum nächsten Hafen segeln. Auf sein abschließendes „Fragen?“ kam nur die Stimme unseres neuen Steuerjungens, der fragte, „weiter auf diese komischen roten Streifenwolken zu? Ich habe soetwas noch nie gesehen.“

Troubridge guckte irritiert in Richtung Bug und rief: „Ja, genau so!“, dann sah er mich an und sagte: „Die sind doch blau-grün, oder?“

Ich guckte genauer hin. Der Streifen war jetzt etwas größer und immer noch silbrig-schwarz glänzend. „Ich denke eher schwärzlich …“. Wir sahen uns irritiert an, zuckten mit den Schultern und machten uns auf, Schiff und Besatzung nach Hause zu bringen.

Troubridge hatte ein paar Matrosen mit Aufgaben weggeschickt, der Rest versammelte sich um mich. Keine Ahnung wo der Kapitän hin war, aber ich vermutete stark, dass er die doppelte Portion Rum bekam.

Ich teilte die Deckshände ein und schickte die nächste Wache zum Schlafen unter Deck. Das gab den ersten herzlichen Lacher seit Tagen. Ich verstand meine Kollegen und sagte ihnen, sie mögen auf dem Weg bei Smutje vorbeigehen und ihm ihr Leid klagen. Der findige Koch hatte sicherlich eine Idee, wie man ein paar Seeleuten beim Einschlafen helfen kann. „Du nicht, Dirck! Du kommst doch von Föhr, oder?“

„Ja, Chef.“

„Kannst du navigieren?“

„Ja, Chef. Jedenfalls ein bisschen.“

„Sehr gut. Mit mir!“

„Ja, Chef!“

„Noch ein Chef, und wir brauchen einen neuen Navigator“, knurrte ich durch meine zusammengebissenen Zähne.

Die Tür zur Lauris Kabine war abgesperrt. Zum Glück hatten wir jemanden an Bord, der sich gut mit Holz auskannte. Ich warf mich mit der linken Schulter gegen die Tür, die meinem Wunsch sich zu öffnen nachkam. Wir betraten die Kabine und ich zeigte auf die Navigationsutensilien. „Dein neues Spielzeug“, sagte ich zu Dirck. „Bedien dich und sag uns, in welche Richtung der nächste Hafen liegt.“

„Ich muss erstmal herausfinden, wo wir sind, Chef“.

Ich gab ihm den bösen einäugigen Blick und sagte nichts.

„Es ist einfacher, den richtigen Weg zu finden, wenn man weiß, wo man ist.“

„Klingt einleuchtend. Tu alles, was dir hilft“, sagte ich im Umdrehen und ging durch die Tür.

„Ja, Chef“, hörte ich noch von hinten und schnaubte ein kurzes, tonloses Lachen.

Alles wird gut.

Weiter mit: Dunkelheit.