Elegy Nacht 2
Im Gargoyle
Mechanics
Der Tag war scheiße, überall Lärm, und zu viele Menschen, die durch die Gänge eilen. Der Schlaf der Untoten ist nicht leicht, aber er unterbricht sich, wenn potenzielle Feinde in der Nähe sind. Ich muss mir unbedingt einen vernünftigen Platz für den Tag suchen.
Nach dem Aufstehen durchsuche ich den Kleiderschrank und finde eine Jeans und T-Shirts in verschiedenen Größen. Was für ein Service. Vampire waschen zwar deutlich weniger Wäsche als Menschen, wer keinen Stoffwechsel hat, muss den Stoff seltener wechseln, haha, aber ab und an muss das eine oder andere Kleidungsteil einfach ausgetauscht werden. Ich werfe meine getragenen Sachen in den Wäschekorb und finde neue schwarze Kleidung, die gut genug passt. Leider sind keine Blutkonserven im kleinen Kühlschrank. Nach meinem schlechten Tag habe ich deutlich mehr Hunger, als ich nach meinem guten Frühstück von gestern haben sollte. Spontan beschließe ich, ein paar Stunden mit meinem Besuch bei Käppi zu warten, und mache mich erstmal auf in Richtung „Gargoyle“.
Die Bar in der Innenstadt hat ein fast so schräges Dekor wie die Desert Fangs Tavern. Das Highlight sind die tomatenförmigen Handpuppen, die in einigen Ecken liegen. Susan meint, ich müsste mir unbedingt den grandiosen Film „Angriff der Killertomaten“ ansehen, um den Witz zu verstehen. Ich bin mir nicht so sicher, dass ich ihn unbedingt verstehen muss. Die Bar ist recht groß mit verschiedenen Räumen, in denen auf großen Fernsehern verschiedene B-Movies laufen.
Ich konzentriere mich auf die Gäste und versuche einen passenden Snack zu finden.
Mechanics
Ein unauffälliger junger Mann in schlecht sitzendem Anzug, Typ Gerichtsangestellter, fällt mir ins Auge und merke mir seine Kleidung und Gesichtszüge.
Im hinteren wird getanzt und tatsächlich finde ich Susan auf der Tanzfläche, wo sie mit einigen anderen Besuchern im Takt herumsteht. Anders kann ich diese Form des Tanzes nicht verstehen. So anders als die ausgeklügelten Tänze von früher. Egal ich schiebe mich zwischen die Tanzenden und bewege mich auf Susan zu, während ich auf den Up- und Downbeats dieses langweiligen Viervierteltaktes auf und ab wippe.
Susan beginnt mit einem Mundwinkel zu lächeln und schiebt sich an mich heran.
„Sly, wie schön dich auch mal wieder zu sehen“, ruft sie mir ins Ohr.
Ich hebe die Schultern und grinse sie schelmisch an. Wenn ich nicht versuche, menschlich auszusehen, kann das etwas gruselig wirken, besonders wenn meine Haut unter der schwarzen Kleidung noch fahler wirkt, als es ohnehin schon tut. Aber Susan scheint sich daran nicht zu stören.
„Bist du zum Spaß hier oder möchtest du etwas von mir?“
„Wo ist der Unterschied?“, raune ich in ihr Ohr und sie lacht hell auf.
Wir ziehen uns in einen ruhigeren Raum zurück und setzen uns etwas abseits der anderen Gäste in eine Nische. Zum Glück ist das Gargoyle noch nicht so voll, wie es in zwei Stunden sein wird.
„Wie war dein Tag?“, fange ich an, ihr mein Interesse zu zeigen.
„Langweilig, furchtbar langweilig. In irgendeiner Kneipe vor der Wüste haben Witzbolde ein paar sterbliche Überreste, Knochenstücke und Staub in Hose und Jacke gepackt und in ein Klo gepackt.“
„Und jetzt vermutet jemand Foul Play?“
„Wieso? Nein, das wäre nicht der erste makabere Studentenscherz in oder um Santa Maria. Die Freuden einer Universitätsstadt.“
„Ich muss noch weiter. Bist du morgen wieder hier?“
„Vielleicht bin ich das“, lächelt sie mich an und ich beschließe morgen hier zu sein. Dann mache ich mich etwas überhastet hinter dem Gerichtsdiener her.
Er verlässt das Gargoyle alleine und geht durch eine schlecht beleuchtete Nebenstraße. Ich hinterher und spreche ihn von hinten an.
Mechanics
Er dreht sich erschrocken herum und greife ihn exakt in dem Moment, in dem sein Hals in die richtige Richtung zeigt. Ein paar Minuten später lasse ich ihn blass und verwirrt zurück, während ich mich aufmache, Käppies altes Zuhause zu besuchen.
Patricks Wohnung
Im engen Flur vor Patricks Wohnung höre ich eine weit entfernte Glocke läuten. Tempus fugit. Das kleine Haus mit den sechs Wohnungen ist anscheinend leer. Jedenfalls begegnet mir niemand auf dem Weg nach oben und ich höre auch keine Geräusche im Haus. Ich greife nach der Türklinke.
Mechanics
Und trete durch die sich öffnende Tür in die Wohnung. In der Mitte des Wohnzimmers bleibe ich stehen und schließe die Augen. Ganz leise kratzende Geräusche kommen irgendwo aus den Wänden, aber ich glaube nicht, dass sie aus der Wohnung selbst kommen. Ich mache mich ans Werk und durchsuche die Wohnung. Wonach ich suche, werde ich wissen, sobald ich es gefunden habe.
Die Wohnung ist nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. Metallene Außenjalousien sollten jeden Sonnenstrahl davon abhalten, die empfindliche Haut eines Vampirs zu beschädigen. Im Schlafzimmer steht zusätzlich eine Art schwarzes Zelt auf dem Bett. Den Spaltmaßen nach zu urteilen, eine Maßkonstruktion. Der dicke Baumwollstoff lässt bestimmt auch kein Licht durch. Gemütlich.
Mechanics
Die Suche dauert sehr lange, aber dann finde ich etwas, dass mich blass werden ließe, wenn ich noch blasser werden könnte: Ein Foto von Susan. Ein paar Minuten stehe ich unbeweglich im Schlafzimmer, während meine Gedanken einander im Kreis jagen. Woher kannten Käppi und Susan sich. Hatte sie die Kleidung der Kloleiche erkannt? Es half nichts, statt Antworten zu finden werde ich mit mehr Fragen hier herausgehen, als ich beim Hereinkommen hatte.
Mechanisch durchsuche ich den Rest der Wohnung und finde noch Bargeld im Tiefkühlfach und eine Blutkonserve im Kühlschrank. Fast bedauere ich, an dem armen Typen aus dem Gargoyle genascht zu haben. Mit den Scheinen und allen Unterlagen, die ich finden konnte, mache ich mich wieder auf den Weg.
Mechanics
Auch auf dem Weg nach unten treffe ich niemanden. Am schwarzen Brett reiße ich einen Brief der Hausverwaltung ab, stecke ihn in die Tasche und mache mich auf zum Berater.
Der Berater
Eine etwas umständliche Fahrt, erst mit der Bahn in die eine, dann mit dem Taxi in die andere Richtung, bin ich wieder Downtown, auf der Rückseite der Santa Maria Mall, wo in einigen Büros die ganze Nacht das Licht brennt. Gegenüber der 24 Stunden offenen Mall fällt nicht auf, dass Anwälte und Berater hier ungewöhnliche Bürozeiten haben.
Die Innenarchitektur von „Belladonna Consulting“ sieht aus, als wäre David Lynch der Innenarchitekt gewesen. Leder, überall Leder und statt Türen hängen schwere Rote Vorhänge in allen Fluren und Zimmern.
Nachdem ich mich vorgestellt und einen „Drink“ abgelehnt habe, werde ich zu Farah gebracht. Die schlanke, ernst dreinblickende Frau hat ein langes Gesicht mit wachen braunen Augen und trägt einen dunkelgrauen Hosenanzug über einer weißen Bluse und ein Halstuch aus einem so tief burgunderroten Stoff, dass es fast schwarz aussieht. Sie begrüßt mich freundlich und fragt, wie sie der Umbra behilflich sein kann.
„Ich würde gerne mehr über den Menschen wissen, dem diese Unterlagen gehören“, antworte ich und reiche ihr die Papiere aus Käppies Wohnung.
Sie blättert sie schnell aber mit höchster Konzentration durch. „Was interessiert Sie genau?“
„Auftraggeber, Geschäftspartner, Angestellte, Freunde und Feinde in Santa Maria. Zu welcher Familie er gehört und wer seine engeren Kontakte dort sind.“
„Bitte geben Sie uns ein paar Tage Zeit. Wie können wir Sie erreichen?“
Ich gebe ihr meine Telefonnummer, wie immer mit dem Hinweis, bitte auf meinen Anrufbeantworter zu sprechen.
„Sehr gerne. Wir veranstalten in der nächsten Woche ein Seminar zum Thema »Das Internet vergisst nicht«, in dem wir Risiken und Chancen des Webs beleuchten. Zielgruppe sind aktive Player, die sich mit den technischen Möglichkeiten und neuen Gefahren des 21. Jahrhunderts auseinandersetzen möchten. Darf ich Sie einladen?“
Ich muss grinsen, verneine aber höflich und mache mich auf den Weg nach draußen.
Der direkte Weg zur Bahn führt durch eine schlecht beleuchtete Gasse hinter der Mall. Ich hätte nicht gedacht, hier mitten in der Nacht Leute zu treffen. Zumindest keine mit guten Absichten, und damit sollte ich recht behalten.
Mechanics
„Geh gefälligst woanders Jagen!“, schreit die junge Vampirin ihr männliches Gegenstück an. Beide sind so konzentriert auf sich selbst und den anderen, dass sie mich noch nicht wahrgenommen haben. Ich bleibe still im Schatten stehen, aber wahrscheinlich hätte ich auch eine Polka tanzen können, ohne dass ich ihnen aufgefallen wäre.
„Du hast mir gar nichts zu sagen, Adama!“
Adama? Ich schaue mir die Vampirin genauer an. Die Adama sind so etwas wie Aristokraten und das aufgeregte Verhalten der kleinen passt überhaupt nicht zu den sonst so distinguierten Adama-Vampiren. Wie jung ist sie? Noch während ich überlege, springt sie den Vampir an und beginnt mit den Fäusten auf seinen Kopf einzuschlagen. Dabei fällt seine Kapuze zurück und gibt den Blick auf sein Gesicht frei. Breite Stirn, extrem dünne Kiefer, ein Auge sichtlich größer als das andere und keine sichtbaren Ohren. Für einen Deimos sieht der Vampir fast gut aus. Er schlägt eine gerade Linke genau an den Hals der Vampirin, die zurücktorkelt und gegen eine Mülltonne schlägt. Zusammen mit ihrem Geschrei ist mir das deutlich zu viel Lärm und auch der Deimos guckt angeekelt.
Mechanics
Use Power Sixth Sense: 7,5 gegen Intellect 7 → weak hit -1 blood.
Who is most likely to give me what I want? → Deimos.
Während die Adama sich aufrappelt und zum nächsten Sprung ansetzt, trete ich auf die beiden zu und rufe „Stopp!“. Die Adama wirbelt herum und funkelt mich an. „Verpiss dich!“, während der Deimos nur den Kopf dreht und mich ruhig ansieht.
„Diese Ausdrucksweise hast du aber nicht zu Hause gelernt“, bemerke ich und schnalze abwertend mit der Zunge. Die Provokation hat Erfolg und die junge Aristokratin stürzt sich auf mich.
Mechanics
Ein schneller gezielter Schlag an ihren ohnehin schon geschwächten Hals bricht ihren Kehlkopf. Sie fasst sich mit beiden Händen an den Hals, der Reflex eines Menschen, dem klar ist, dass er das nicht überlebt, weil er nicht mehr atmen kann. Bevor der kleinen Tigerin einfällt, dass sie nicht mehr atmet, greife ich fest an ihr Kinn und ihren Hinterkopf und breche ihr mit einer ruckartigen Bewegung das Genick. Die gebrochenen Knochen werden in ein paar Minuten, oder Stunden, falls dieses Kind so unfähig ist, wie ich glaube, wieder heilen.
„Warum streitet sich ein Deimos hier in aller Öffentlichkeit mit einem anderen Vampir?“, frage ich den Vampir, der sich nicht einen Zentimeter bewegt hat, ruhig und ohne ihn anzusehen.
„Viele Menschen in Santa Maria, aber auch viele Vampire.“
„Zu viele Raubtiere auf zu engem Raum?“, frage ich und blicke Deimos direkt an.
„Ja, es gibt jetzt oft Reibereien zwischen den Familien. Und dort, wo viele Mitglieder einer Familie wohnen, glauben die jüngeren manchmal, es wäre ihr Gebiet.“
„Hm, ich dachte, die Fassade wäre wichtiger als Jagdgebiete.“
„Ja.“
Die Beine der Vampirin zucken, sie ist nicht ganz so unfähig, wie ich dachte. Als ich wieder hochgucke, ist der Deimos in den Schatten verschwunden, ohne dass ich davon irgendetwas bemerkt hätte. Wow, ist der gut.
Auch ich mache mich wieder auf den Weg. Bevor ich zurück in Quinns Zimmer gehe, mache ich noch einen Abstecher bei Susans Wohnung, die hier ganz in der Nähe liegt, und werfe ihr Photo aus Patricks Wohnung in ihren Briefkasten.
#solorpg